Materialcharakterisierung

PIs: Prof. Dr. Ullrich Pfeiffer (Universität Wuppertal), Dr. Jan Barowski (Ruhr-Universität Bochum), Dr. André Froehly (Fraunhofer FHR)

Die abbildende Materialcharakterisierung ist eines der zentralen Forschungsthemen für die unterschiedlichen Netzwerkpartner. Wichtige Säulen bilden dabei die Erforschung von elektronischen und photonischen Technologien für Hardware-Komponenten im Terahertz-Bereich. Dabei spielen die bisherigen Arbeiten des Sonderforschungsbereichs (SFB) MARIE eine besondere Rolle. Kommen bisher primär  reflektive Messmethoden unter Berücksichtigung von Oberflächeneffekten zum Einsatz soll  sich nun terahertz.NRW auch auf transmittive Geometrien, kompakte Konzepte, Transceiver sowie Algorithmen für durchdringende Terahertz-Messungen von Materialien und Volumenkörpern konzentrieren und damit hochrelevante, neue Aspekte im Bereich der Materialcharakterisierung adressieren.

 

Das Ziel der Weiterentwicklung von der hochgenauen reflektiven Abbildung und Materialcharakterisierung im SFB MARIE zu einem transmittiven tomographischen Ansatz bildet dabei eine Klammer von der Halbleitertechnologie über die photonische Signalerzeugung bis hin zur Signalverarbeitung und ergänzt die Arbeiten des bereits existierenden Sonderforschungsbereiches.

 

Die transmittiv messende tomographische Abbildung findet sich derzeit vor allem im medizinischen Bereich (Ultraschall, Röntgen-CT, MRT) und im Sicherheitsbereich (Röntgen-CT). Sie kommt dann zum Tragen, wenn Materialien durchdrungen werden müssen und auf Materialeigenschaften im Innern geschlossen werden soll. Die Millimeterwellen- und THz-Tomographie spielt dabei derzeit noch eine untergeordnete Rolle. Wenn der Einsatz ionisierender Röntgenstrahlung jedoch nicht angebracht ist oder, im Gegensatz zu Ultraschall, mit hoher Dynamik berührungslos gemessen werden soll, ist die Verwendung von THz-Strahlung eine wichtige Alternative. Dies ermöglicht spektral aufgelöste Abbildungen mit handhabbar integrierten Systemen.

 

Ein relevantes Anwendungsfeld stellt die Abbildung von Modellpflanzen zur Untersuchung von Mikrostrukturen oder der Nährstofftransport in Indoor-Farming-Modulen dar. Hier ergeben sich starke Anknüpfungspunkte zum Bereich Medizintechnik und Umweltmonitoring. Darüber hinaus können Anwendungen wie die 3D-Materialanalyse (z. B. 3D-Metamaterialien) oder neuartige Methoden der zerstörungsfreien Prüfung aus dem Sonderforschungsbereich aufgegriffen werden.

 

Ziel des Netzwerks ist eine enge Verzahnung des Bereichs Materialcharakterisierung mit den einzelnen Arbeitspaketen. So bieten sich dabei gemeinsame Workshops von Anwendern und Technologievertretern im Rahmen des AP 1 an. Findet dieser Austausch zunächst auf Basis der Vorarbeiten im Konsortium statt, so können im ersten Jahr bereits Messkapazitäten aufgebaut werden, die anwendungsnahe Tests für Industrieanwender zulassen, um die Eintrittshürde für die THz-Bildgebung deutlich zu senken und anwendungsorientierte Forschung zu ermöglichen. Systemseitig kann innerhalb des Netzwerkes auf zahlreiche Vorarbeiten und vorhandene Systeme zurückgegriffen werden. So wurden bereits ganze THz-Abbildungssysteme (Czylwik, Kolpatzeck, Balzer) realisiert, die zur ersten Datenerhebung eingesetzt werden können. Diese sind durch strahlformende Elemente wie MEMS (M. Hoffmann) noch leistungsfähiger zu gestalten. Ebenso stehen auf elektronischen Vervielfachern basierende Systeme bis über 300 GHz zur Verfügung. Komponentenseitig wurden im Rahmen des SFB MARIE bereits einzelne Sender, Empfänger, Referenzen, Antennen etc. mit Bestwerten erarbeitet. Daher kann terahertz.NRW auf elektronische Komponenten bei 140 GHz, 300 GHz bis hin zu optoelektronischen THz-Systemen mit einer Bandbreite von deutlich über 1 THz zurückgreifen. Zusammen mit MIMO-Radar-Technologie auf 120 GHz, 140 GHz und 240 GHz führt das Netzwerk eine breite technologische Basis zusammen, die für den gesamten Verbund von unschätzbarem Wert ist.

 

Darauf aufbauend sollen im Rahmen von AP 2 Systemansätze erforscht und im Austausch mit den Technologie- und Anwendungspartnern optimiert werden, die durch eine örtliche Trennung von Sender und Empfänger elegante transmittive Abbildungen erlauben, welche durch die Verteilung hochgenauer Referenzsignale im GHz-Bereich (Musch, van Delden) ermöglicht wird. Naheliegend ist auch ein Ansatz mit optischer Signalerzeugung und faseroptischer Verteilung (Balzer, Brenner, Saraceno), der diese Möglichkeit intrinsisch bereitstellt.Die Transceiver-Technologien aus AP3 ermöglichen eine bislang unerreichte Systemdynamik sowie die Erschließung neuer Frequenzbänder oberhalb von 275 GHz durch kompakte elektronische Systeme. Vor allem die Weiterentwicklung von arraybasierten Lösungen erlaubt durch hohe Integrationsraten im THz-Bereich hochkompakte Transceiver-Module, die durch die parallele Abdeckung zahlreicher Messpfade Scangeschwindigkeiten ermöglichen, welche industrielle Anwendungen in greifbare Nähe rücken lassen.

 

AP 5 lässt schließlich aus Daten Bilder entstehen. Zahlreiche Forscher des Netzwerkes sind bereits im Bereich der Millimeterwellen- und THz-Abbildung aktiv. So engagiert sich sowohl die RUB (Rolfes, Barowski) als auch das Fraunhofer FHR (Froehly) im Bereich der Radarbildgebung. Die tomographischen Vorarbeiten (Balzer, Brenner) stellen die geplanten Forschungen des Weiteren auf eine exzellente wissenschaftliche Basis. Aus den Methoden der Ultraschallbildgebung (Schmitz) werden Ansätze für hochaufgelöste transmittive Bildgebung erarbeitet. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Einbeziehung von Streu- und Beugungseffekten. Durch Fusion mit der etablierten reflektiven Rückstreubildgebung soll die durch das Beugungslimit gegebene Auflösungsgrenze mittels Betrachtung des vollständigen Streuspektrums überwunden werden. Die Tomographie bietet eine ideale Plattform zur Demonstration neuer Transceivertechnologien und Systemkonzepte. Durch eine verbesserte Bildgebung im Rahmen eines ständigen Austausches zwischen den Forschern der einzelnen Arbeitspakete kann das Potenzial der Terahertz-Technologie „made in NRW“ direkt öffentlichkeitswirksam auf nationaler und internationaler Ebene präsentiert werden. Durch Fusion von optisch und elektronisch erzeugten Terahertz-Daten ist dabei nicht nur eine hohe Bildauflösung, sondern 3D-Abbildung in mehreren Frequenz-Bändern und Polarisationszuständen möglich. Damit können volumetrische Permittivitätsverteilungen (Feuchteverteilung in Blättern, Nährstofftransport in Indoor-Farming-Modulen, Vermessung von Abgasfiltern, …)  statisch und dynamisch sichtbar gemacht werden, die bislang für Biologen und Materialwissenschaftler nicht direkt zugänglich sind.

 

Die Möglichkeiten der THz-Tomographie erschließen somit wiederum weitere Forschungsfelder, die aus dem Netzwerk heraus neue Forschungsprojekte, Anwendungen und Ausgründungen initiieren. Die gemeinsame Arbeit von Wissenschaftlern und Studierenden bildet dabei den entscheidenden Ansatzpunkt für eine nachhaltige und international sichtbare Forschungslandschaft in NRW.